Warum die Streichung der Zusatzweiterbildung im Bereich Homöopathie richtig ist

August 2022, von Natalie Grams-Nobmann

Die Landesärztekammer hat beschlossen, dass die Zusatzbezeichnung „Homöopathie“ aus der Weiterbildungsordnung der Ärztinnen und Ärzte in Baden-Württemberg gestrichen wird. Diese Entscheidung wird von Teilen von Bündnis 90 / Die Grünen öffentlich kritisiert, jedoch ist diese Kritik unserer Meinung nicht angebracht.

Ganz unabhängig, wie man persönlich zur Homöopathie stehen mag – eine Lücke zwischen dem Entscheid der Landesärztekammer Baden-Württemberg und der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung wird durch den aktuellen Beschluss nicht entstehen. 

Es ist prinzipiell allen Menschen freigestellt, auf Homöopathie zu setzen. Wo sollte also die Gesundheitsversorgung durch den Beschluss beeinträchtigt sein, bleibt doch die Homöopathie für jede*n zugänglich, der/die sie für sich anwenden möchte? 

Selbst Ärzt*innen ist es grundsätzlich weiterhin nicht verwehrt, im Rahmen ihrer Therapiefreiheit Homöopathie anzubieten, sofern sie die medizinethischen Grenzen dafür beachten. Vorhandene „Zusatzbezeichnungen Homöopathie“ bleiben unberührt, sie werden niemandem weggenommen. Zudem können Ärzt*innen Homöopathie auch ohne die Zusatzbezeichnung anbieten, wenn sie daran glauben. 

Baden-Württemberg mag sich als „Land der Naturheilkunde“ verstehen, aber letztlich ist Homöopathie gar keine Naturheilkunde. Von der Natur ist im Gegenteil meist gar nichts mehr drin. Gute, evidenzbasierte Pflanzenheilkunde dagegen wäre so viel wichtiger in der Medizin! 

Homöopathie liegt auch nicht innerhalb der Grenzen einer weiten Begriffsdefinition von Naturmedizin, denn sie ist nur angeblich eine spezifisch wirksame, natürliche Arzneimitteltherapie – so Hahnemanns eigener Anspruch, in dem er aber leider vor allem einer Selbsttäuschung unterlag. Sie beruht auf einem ausgesprochen artifiziellen Gedankengebäude, das seinerseits ein längst überholtes Naturverständnis (Ähnlichkeitsmagie, Vitalismus) voraussetzt. Das sollte, ebenfalls ganz unabhängig von der persönlichen Position zur Homöopathie, im Interesse der Gesundheitskompetenz der Allgemeinheit stets klar kommuniziert werden. Das Suggerieren des Gegenteils führt zu der Verwirrung, von der die Homöopathie letztlich seit 200 Jahren profitiert und ist nicht im Sinne einer guten Gesundheitskompetenz von Patien*tinnen, die auf Fakten beruhen sollte und nicht auf Glauben oder Wunschdenken. 

Selbst eine positive Erfahrung mit der Homöopathie spricht nicht für sie, denn dabei können wir unzähligen Denk- und Wahrnehmungsfehlern unterliegen, die oft genug beschrieben und erklärt wurden. Letztlich entspricht die Homöopathie Placebo- und Kontexteffekten. Das ist zwar auch im weiteren Sinne Medizin und auch in gewisser Weise natürlich, aber diese Phänomene sind definitiv kein Alleinstellungsmerkmal der Homöopathie. Der Placebo-Effekt ist bei jeder Behandlung dabei; die Homöopathie hat ihn weder erfunden, noch für sich gepachtet. 

Deshalb sind wir der Meinung, dass wir ein solches Missverständnis von politischer Seite nicht zusätzlich stützen dürfen.

Im Beschluss der Landesärztekammer drückt sich – wie auch in den Beschlüssen der anderen Landesärztekammern und der Bundesärztekammer zum gleichen Thema – nichts anderes aus, als dass die homöopathische Lehre als unvereinbar mit dem Anspruch der Weiterbildungsordnung auf Wissenschaftsbasierung eingestuft wird. Mit anderen Worten: die Beschlüsse zielen nicht nur auf den fehlenden Wirksamkeitsbeleg der Homöopathie ab, sondern vor allem auch darauf, dass es ihr an dem fehlt, was Wissenschaftlichkeit erst ausmacht: ein Hypothesengebäude, das in sich konsistent und gleichzeitig vereinbar mit anderem gesichertem Wissen ist und das seine spezifische Wirksamkeit empirisch belegen kann.

Eben dies ist der Kernpunkt, dem sich unsere politische Diskussion stellen muss. Keine*r von uns, gleich ob pro oder contra Homöopathie, sollte dies dadurch verunklaren, dass Nebenkriegsschauplätze in den Vordergrund gerückt werden, zu denen auch das „Peanuts-Argument“ der geringen Kosten im Verhältnis zu den Gesamtausgaben des Gesundheitssystems zu rechnen wäre. Es geht hier leider wirklich ums Prinzip. In der Coronakrise haben wir alle erfahren, was geschehen kann, wenn Fakten nicht mehr als solche anerkannt und kommuniziert werden können. Bei der Homöopathie sollten wir nicht aus guter Tradition heraus den gleichen Fehler begehen. 

Wir müssen uns dieser Kernproblematik stellen und dabei sollten weder Fürsprechende noch Kritisierende der Homöopathie die aktuelle Entscheidung der Landesärztekammer Baden-Württemberg mit Gesichtspunkten kritisieren, die ersichtlich für deren Kontext gar nicht relevant sind – zumal in öffentlichen Statements!

In diesem Sinne streben wir eine gemeinsame Diskussion und Lösung der Homöopathiefrage auf der politischen Ebene an. Nur so kommen wir weiter – im Patient*inneninteresse ebenso wie mit Blick auf die Beschlussfassung im Grundsatzprogramm vom November 2020, wo es bekanntlich heißt: „Die Versorgung muss dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen, den medizinischen Fortschritt berücksichtigen und auch den Bedarfen von besonders verletzlichen Personengruppen gerecht werden.“